Usedom

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Von Fischern, Malern und Kaisern

Auch erschienen im Reiseführer „DEUTSCHE OSTSEEKÜSTE auf dem Motorrad entdecken - BASECAMP SPEZIALAUSGABE“ Touren 9 & 10 aus 10 (S. 140 - 167).

Text: Gabriele Erdmann, Victoria Kuhn

Bilder: ADDI creare-imagos

Wir starten die Tour in der Hansestadt Stralsund, genauer gesagt im „Altstadt Hotel zur Post“. Von dort aus der Stadt heraus über Wilmshagen fahrend, passieren wir zuerst die Hansestadt Greifswald. An deren östlichem Ortsausgang befindet sich die Wiecker Brücke. Diese Holzklappbrücke nach holländischem Vorbild, deren Klappen immer noch per Hand gezogen werden, wurde 1887 erbaut und führt über den Fluss Ryck. Sie ist die Verbindung zwischen den Greifswalder Ortsteilen Wieck und Eldena. Im Wiecker Fischerei- und Seglerhafen hat unter anderem das bekannte Segelschulschiff „Greif“ seinen Liegeplatz. In unmittelbarer Nähe der Klappbrücke befindet sich die Bockwindmühle Eldena, deren Flügel schon von Weitem sichtbar sind. Nur ein kleines Stück schauen wir kurz an der Klosterruine Eldena, Überreste des im Mittelalter bedeutendsten Zisterzienserklosters der Region, vorbei.

Seeblick vom Fischereihafen Freest

Für uns gehtes weiter am Greifswalder Bodden entlang über Lubmin und Kröslin nach Wolgast. Auf dem ersten Teilstück sollte man auf keinen Fall verpassen, den sozusagen direkt an der Straße liegenden großen, natürlichen Fischereihafen Freest zu besuchen. Nicht nur die leckeren Fischbrötchen munden hier mit Blick auf die authentischen Fischerboote.

Road Book

Stralsund - Elmenhorst - Horst - Greifswald - Freest - Kröslin - Wolgast - Peenemünde - Zinnowitz - Ahlbeck - Usedom - Anklam - Karlsburg - Hinrichshagen - Stralsund

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Vielmehr kann die Aussicht begeistern: Von hier, direkt an der Peenemündung, schauen wir hinüber auf das ehemalige Kraftwerk auf dem Gelände des Historisch-Technischen Museums Peenemünde, kurz: HTM. Zugleich eröffnet sich von dieser Stelle ein wunderbarer Blick über die kleinen Inseln Ruden und Greifswalder Oie hinweg auf die freie Ostsee bis zur Insel Rügen.

In Wolgast angekommen, führt unsere Strecke über das „Blaue Wunder“, die nördliche der beiden Peenebrücken, welche auf die Insel Usedom führen. Dabei handelt es sich nicht um die erste Brücke an dieser Stelle. Bereits 1933 begann man mit dem Bau der ersten Peenebrücke von Wolgast auf die Insel. Diese wurde zu Kriegsende gesprengt, konnte aber 1950 wiedereröffnet werden. Die „Brücke der Freundschaft“ hatte mehrere Jahrzehnte Bestand, bevor der so markante blaue Neubau sie ablöste.

Historische Exponate in Peenemünde

Unser erstes Ziel auf Usedom ist Peenemünde mit dem Historisch-Technischen Museum, der ehemaligen Versuchsanstalt des Nationalsozialismus, die ab 1936 die Entwicklungs- und Versuchsstelle des Heeres war. Unter Leitung von Wernher von Braun wurde dort die weltweit erste funktionsfähige Großrakete entwickelt und getestet – bis zu ihrem ersten erfolgreichen Flug am 3. Oktober 1942, als sie bis in den Weltraum vordrang. Aus diesem Grund gilt Peenemünde als „Wiege der Raumfahrt“. Die Rakete sollte 1944 als spätere Vergeltungswaffe (V2) zur Anwendung kommen. Davor wurde Peenemünde 1943 von der britischen Luftwaffe bombardiert. Die V2 war der erste Marschflugkörper der Welt. Umfassendes historisches Material über diese Entwicklungen und originale Exponate sind im Innern des HTM sowie auf einem weitläufigen Außenareal zu besichtigen.

Nach einer Umrundung des Peenemünder Hakens durch den Wald mit Blick auf den Militärflugplatz und den Kölpinsee fahren wir zum Hafen, in dem ein zu besichtigendes U-Boot der sowjetischen Flotte liegt. Es wurde 1965 in Dienst gestellt und galt damals als weltweit größtes seiner Klasse. Es hat eine Länge von 86 Metern. 1991 wurde es ausgemustert und ist seit 1998 ein technisches Denkmal im Peenemünder Hafen.

Anschließend bewegen wir uns parallel zu einem der schönsten Sandstrände der Insel, von Peenemünde bis Karlshagen, an dem alljährlich der mittlerweile sogar zum größten Beachvolleyball-Turnier der Welt avancierte „Usedom Beach Cup“ stattfindet. Am Strand wird dann schon einmal die Nacht zum Tag gemacht, wenn dieses Event mit Party und Höhenfeuerwerk gebührend gefeiert wird.

Weiter geht es durch ein Waldgebiet bis zur Schmetterlingsfarm in Trassenheide. Mit 2.500 Schmetterlingen in 60 faszinierenden Arten ist diese Farm auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern die größte ihrer Art in Europa.

Wer möchte, kann nun, am Ortseingang von Zinnowitz, rechts ab auf die Halbinsel Gnitz zu den Usedomer Erdölfeldern fahren.

Usedoms schmalste Stelle

Auf der Bäderstraße vorbei an Zinnowitz und Zempin fahrend, ist Bansin für uns das nächste Ziel. Auf dem Weg dorthin passieren wir nicht nur die engste Stelle der Insel Usedom, sondern ebendort auch das Atelier von Otto Niemeyer-Holstein in seinem ehemaligen Wohnhaus mit Garten. Seit 1939 befand sich sein dauerhafter Wohnort hier im „Lüttenort“, wie er sein Anwesen nannte. Ihm ist es zu verdanken, dass die Holländerwindmühle Benz nicht dem Verfall überlassen wurde, denn er kaufte sie 1975, ließ sie restaurieren und machte sie danach der Öffentlichkeit zugänglich. Dank einer Verfügung in seinem Testament ist auch sein Anwesen noch heute in unveränderter Form für Besucher zu besichtigen.

Die Kaiserbäder

Wir erreichen das Seeheilbad Bansin. Zusammen mit Heringsdorf und Ahlbeck zählt es zu den heute immer noch so genannten Kaiserbädern. Von hier bis nach Swinemünde verläuft auf 12 Kilometern Europas längste Strandpromenade. Bekannte Villen im Stil der Bäderarchitektur reihen sich an ihr aneinander. Im Gegensatz zu den Seebrücken von Heringsdorf und Ahlbeck kommt die Bansiner eher schlicht daher, was vor allem daran liegt, dass sich auf ihr kein Gebäude befindet. Trotzdem ist auch sie bei Touristen sehr beliebt.

Ab hier fahren wir auf der Bäderstraße weiter ostwärts und gelangen über Heringsdorf mit seiner Seebrücke und dem direkt davorliegenden ehemaligen Theater, Casino und aktuell Boutique sowie dem „XXL-Strandkorb“ nach Ahlbeck. Die berühmte Ahlbecker Seebrücke, übrigens die älteste Seebrücke Deutschlands, ist unser Ziel. 1882 erbaut, ist sie das Wahrzeichen Usedoms. Von hier aus hat man einen zauberhaften Blick auf die Pommersche Bucht mit ihren breiten Sandstränden: westlich bis Bansin und östlich bis Misdroy auf Wollin in Polen.

Stippvisite in Polen

Von diesem östlichsten der drei Kaiserbäder geht es weiter zur deutsch-polnischen Grenze und darüber hinaus bis in die Stadt Swinemünde (auf polnisch: ?winouj?cie). Bis heute geht von dieser Grenzstadt eine ganz besondere Faszination als Hafen- und Seglerstadt aus. Swinemünde wird durch den gleichnamigen Fluss in zwei Teile getrennt. Der Stadtteil jenseits der Swine liegt schon auf der Insel Wollin. Der touristisch interessantere Teil mit Sehenswürdigkeiten und zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten befindet sich aber auf Usedom. Die beiden Stadtteile sind durch Fähren verbunden, die aber nur von Einheimischen genutzt werden dürfen. Wir fahren südlich aus der Stadt heraus und überqueren wieder die Grenze zu Deutschland.

Weiter geht es über Garz zum Flughafen Heringsdorf. Früher ein Militärflugplatz ist er heute Start- und Landepunkt für Urlaubsflieger und private Kleinflugzeuge. Das dazugehörende Restaurant „Hangar 10“ bietet gehobene Küche in einem eleganten Retrochic-Ambiente der Fliegerwelt und ist ein kleiner Geheimtipp abseits der Touristenstrecken. Vom Airport ist es nicht mehr weit bis nach Dargen.

Ostalgie pur

Als Fan alter Autos und Zweiräder sollte man in Dargen unbedingt das DDR-Museum besichtigen, in dem neben den Fahrzeugen zahlreiche Utensilien aus dem DDR-Alltag ausgestellt sind.

Einkehr-Tipp:
Wer jetzt noch Zeit hat, der kann einen Abstecher zum Wasserschloss Mellenthin machen. Dieses wurde im 16. Jahrhundert erbaut und vom jetzigen Eigentümer über einige Jahre hinweg liebevoll restauriert. Nun beherbergt es ein Hotel, eine Bäckerei, eine Kaffeerösterei sowie eine Brauerei. Die hauseigenen Kreationen sind sehr zu empfehlen und können sowohl vor Ort als auch nach Mitnahme zu Hause genossen werden.

Über die Stadt Usedom kommen wir nun zur südlichen Peenebrücke, der Zecheriner Brücke. Auch sie wurde 1945 zerstört, wiederaufgebaut und erst 1955 wieder für den Verkehr freigegeben. Zur Jahrtausendwende sanierte man sie umfassend.

• Tipp:
Nicht weit vor der Zecheriner Brücke links abbiegend gelangt man zur Karniner Brücke. Die gewaltige Hubbrücke ist ein Teil der ehemaligen Eisenbahnbrücke zwischen Festland und Insel, die 1933 erbaut worden ist. Heute ist sie ein technisches Denkmal.

Die Insel Usedom nun hinter uns lassend, fahren wir zurück nach Greifswald.

Autoren-Tipp: Hansestadt Greifswald - Altstadt

Auch im Zentrum der Universitäts- und Hansestadt gibt es eine Menge zu entdecken. So Beispielsweise den Marktplatz mit dem freistehenden Rathaus, das Theater Vorpommern oder den alles überragenden und die Stadtsilhouette prägenden Turm des Greifswalder Doms. Von ihm genießt man auf 98 Metern einen herrlichen Rundumblick über die Stadt. In dieser Kirche wurde einst einer von Greifswalds berühmtesten Söhne, der Maler Caspar David Friedrich, getauft. Auch St. Marien oder die „Dicke Marie“, wie die Greifswalder sie nennen, steht dem Dom in ihrer Bedeutung in nichts nach. In ihr befindet sich eine der größten noch erhaltenen Orgeln des Stralsunder Orgelbauers Friedrich Albert Mehmel.

Im Pommerschen Landesmuseum sind einige Werke des Romantikers Caspar David Friedrich zu sehen, unter anderem auch sein berühmtes Gemälde „Ruine Eldena im Riesengebirge“. Die Klosterruine war ein beliebtes Motiv des Malers und wurde durch seine Bilder weltberühmt. Sicher auch deshalb bewahrte man sie vor dem weiteren Verfall. Seit 2004 hat zudem das Caspar-David-Friedrich-Zentrum im ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Langen Straße 57 seine Türen geöffnet. Es ist ebenfalls der Ausgangspunkt für den Caspar-David-Friedrich-Bildweg, welcher zum Fischerdorf Wieck und der vom Künstler so geliebten Klosterruine Eldena führt.

Von der Hansestadt aus geht es nach einem Tag voller Erlebnisse nun auf dem schnellsten Weg über die B 105 zurück ins „Altstadt Hotel zur Post Stralsund“.